Die Namenforschung befasst sich mit Entstehung (Herkunft, Alter, Etymologie), Bedeutung und geographischer Verbreitung von Eigennamen. Sie versteht sich als Teilgebiet der historischen Sprachwissenschaft. Orts- und Personennamen liefern (als verhältnismässig altes Sprachmaterial mit eindeutigem Bezug) wichtige Aufschlüsse zu Geschichte, Verbreitung, Gliederung und Verwandtschaft der betreffenden Sprachen.
In seinen Namen spiegelt sich unser Lebensraum - in Gegenwart und Geschichte. Unsere Namen reichen weit in das Dunkel der schriftlosen Vergangenheit zurück. Sie stellen versteinerte Reste älterer Epochen dar – sie sind «ungeschriebene Geschichte». In ihrer schriftlichen Überlieferung gehören die Namen zu den ältesten Sprachzeugnissen ihrer Region. Gross ist daher das Interesse der Sprach- und Kulturgeschichtsforschung an der Erfassung und Entschlüsselung dieser sprachlichen Elemente.
Die Namen geben Auskunft zu älteren Sprachschichten, zu verschwundenem Wortgut, zu Sprachberührungen, sprachlichen Überlagerungen und Sprachwechseln, zu Sprach- und Mundartgrenzen in Raum und Zeit, zu Mundartentwicklung und Mundartwandel. Sie eröffnen dem Forscher Einblicke in die Evolution von Laut- und Formstrukturen, in die Gesetze der Wortbildung, in die Welt der sprachlichen Bedeutungen, des Bedeutungswandels. «Die Ortsnamen als dicht und gleichmässig über jeden beliebigen Untersuchungsraum gestreute sprachliche Elemente mit genauer örtlicher und oft auch zeitlicher Fixierung sind […] für die Untersuchung raum-zeitlicher Sprachbewegungen geradezu unentbehrliche Informationsträger. Dies gilt in besonderem Masse für Gegenden, an deren Toponymie mehrere Sprachschichten Anteil haben, und wo sich Nebeneinander und Nacheinander dieser Sprachen in vielfältiger Weise im Namengut spiegeln.» (Stricker 1980b, 69).
Die Erforschung der Orts- und Flurnamen ist aber auch über die Sprachwissenschaft hinaus eine wichtige Erkenntnisquelle weiterer Wissenschaftszweige. Archäologie, Ethnologie, Volks- und Heimatkunde, Geschichte (Siedlungs-, Wirtschafts-, Kirchen-, allgemeine Kulturgeschichte), Naturgeschichte (Kulturgeographie, Vegetationsgeographie) sind an den Ergebnissen der Namenforschung interessiert und können aus ihnen Nutzen ziehen.
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