Wer an den Seveler Berg will, der fĂ€hrt zunĂ€chst auf die liebliche Terrasse von St.Ulrich, durchquert das Dörfchen in einer weiten S-Kurve und tritt, nordwĂ€rts fahrend, in das Tuerichner Holz ein. Ăber Amplasur wendet sich die Bergstrasse wieder nach SĂŒden, in einer engen, felsigen Kurve, die seit der Zeit der Erbauung als FĂŒfliberrangg bekannt ist. Noch bevor sĂŒdwĂ€rts die Sunnenwis (Ă€lter Guliwis geheissen) in Sicht kommt, öffnet sich (unweit ĂŒber St.Ulrich, auf 660 m ĂŒ. M.) eine kleine, ansteigende Waldlichtung, ein BerggĂŒtchen direkt ĂŒber dem Dörfchen. Das StallgebĂ€ude und der grössere Teil des Wieslandes sind unterhalb der Strasse gelegen. Dieses Stallgut trĂ€gt seit alters die Bezeichnung Amatnez, und diesem Namen wollen wir uns hier zuwenden.
Unser Name erscheint erstmals urkundlich ums Jahr 1570 im Werdenberger Urbar 36 (S. 151), dort als mattnĂ«z. Um 1650 heisst es Mitmaz (in einem Zins- und Pfandverzeichnis der PfarrpfrĂŒnde Sevelen, begonnen 1609). 1740 wird der sĂŒdlich von Amatnez verlaufende Amatnezbach in einem Kopialbuch als amengnez bach verzeichnet, und im Helvetischen Kataster 1801 tritt das Gut auf in den Schreibungen Amagnez, amen Nez, Amatnez.
Sevelen von Osten gesehen. Amatnez heisst die unterste (mittlere) kleine Waldlichtung direkt ĂŒber den HĂ€usern von St.Ulrich. Bild: Hans Jakob Reich, Salez.
Wer mit dem Namengut unserer Gegend vertraut ist, wird sogleich erkennen, dass Amatnez zu jener Klasse der romanischen Namen gehört, die sich im Lauf der Geschichte einen vokalischen Auftakt zugelegt haben. Dieser entpuppte sich spĂ€ter als die in den Namen geschmuggelte deutsche OrtsprĂ€position an oder in (A- oder I-); das heisst also, dass Ă€lteres Matnez zu Amatnez wurde - was die urkundlichen Belege ja andeuten. Wir haben in dieser Artikelserie vor lĂ€ngerem schon die FĂ€lle Amasis, InggeriĂ€ls, Afasteig, Impelwiza, Anggalrina besprochen, die von derselben (sprachgeschichtlich ĂŒbrigens sehr bedeutsamen) Erscheinung geprĂ€gt sind. Daher wollen wir uns zu ihr nicht wiederholen, sondern wir begnĂŒgen uns hier mit dem Link auf das entsprechende Kapitel in dieser Website, wo die merkwĂŒrdige, aber regionaltypische Erscheinung erlĂ€utert wird: https://www.werdenberger-namenbuch.ch/werdenberg/sprache/vom-romanischen-zum-deutschen/deutsche-ortspraeposition-verbunden-mit-romanischen-namen/.
Zu erklĂ€ren bleibt uns darĂŒber hinaus also der eigentliche Namenkern Matnez. Dass dieser romanisch, jedenfalls nicht deutsch ist, ist ihm ja anzusehen. Die uns bereits bekannten Ă€lteren Namenforscher sahen das sicher Ă€hnlich, hatten allerdings MĂŒhe, ihn konkret zuzuordnen. So verzichtete David Heinrich Hilty (1890: «Matnez») auf einen ErklĂ€rungsversuch, ebenso Wilhelm Götzinger (1891: «Amagnezz»). Der Seveler Dorfarzt Heinrich Gabathuler versuchte es dann (1928) mit einem erfundenen *matunez âkleine Matteâ («⊠auch lat. montanitium âBerglandâ ist sprachlich zu verantworten»); leider mĂŒssen diese VorschlĂ€ge allerdings als untauglich abgelehnt werden.
Valentin Vincenz brachte 1983 dann zwei passend erscheinende AnsĂ€tze vor: Zum einen eine Ableitung von romanisch mantun m. âHaufe, kleiner Erdhöckerâ, nĂ€mlich die Verkleinerungsform mantunet (Mehrzahl mantunets). Dazu schiene eine zusammengezogene (synkopierte) Form Mantânets und daraus > Matnez in der Tat nicht unmöglich, wenn auch die Namenbedeutung («bei den kleinen Erdhöckern») hier wenig ĂŒberzeugend ist. Weit plausibler aber ist sein zweiter Vorschlag, nĂ€mlich romanisch munt miez âmittleres Berggutâ (bzw. munt dâmiez, munt dâimez). Das passt genau zur Lage des GĂŒtchens, schon ĂŒber der Talsiedlung (St.Ulrich), aber noch unterhalb der meisten «oberen» BerggĂŒter. Auch sprachlich ist die Entwicklung sehr plausibel: In altromanisch *munt dâmiez (munt dâimez) âmittlerer Bergâ wurde nach dem Sprachwechsel zum Deutschen die vortonige erste Silbe abgeschwĂ€cht zu Matmez. Im Beleg 1650 Mitmaz scheint das zweite -m- noch auf; jedoch die zwei M in Matmez waren sich nun offensichtlich zu nahe. In solchen FĂ€llen neigt die Volkssprache zum Ausweichen auf «Nachbarlaute»: es kam zur sog. Dissimilation («VerunĂ€hnlichung»): Matmez wurde zu Matnez.
Das Element dâimez adv. âmittler, in der Mitte befindlichâ kommt auch in weiteren Namen der Umgebung vor, und dabei lĂ€sst sich schön verfolgen, wie dieses sich mit dem Sprachwechsel auch recht unterschiedlich weiterentwickeln konnte.
Im Fall von â Munmiez in Buchs (Gut am Buchser Berg, ĂŒber Guscha, aus rom. munt dâmiez âmittleres Berggutâ) ist rom. dâmiez intakt geblieben, aber der Name ist ja relativ frĂŒh ausgestorben (1543 letztmals bezeugt).
Gleiches gilt fĂŒr den ebenfalls abgegangenen Namen urk. 1423 Fladmietz, 1390 Glafautmiez in Nenzing (aus rom. clavau dâmiez âmittlerer Stallâ).
Beim Namen Parmezg in Triesenberg (Wieshang sĂŒdöstlich von Gnalp, 1180 m, urk. 1355 Prodimiz, aus rom. prau dâimez âmittlere Wieseâ) hat sich ohne sachlich ersichtlichen Grund deutsch Metzg f. eingemischt (sog. Volksetymologie).
Der Alpname Pradamee in Vaduz ist gleicher Herkunft wie der vorangehende Fall Parmezg (er stammt also auch aus rom. prau dâimez); aber hier ist er auf andere Weise abgewandelt worden; vielleicht war hier Ablenkung nach dem örtlich benachbarten Namen Aslamagee mit im Spiel (letzterer ebenfalls mit betontem Schlussvokal; vgl. zu jenem interessanten Fall FLNB I/2, 268-270).
Am Schluss noch eine Bemerkung zum romanischen adverbialen Ausdruck dâmiez, dâim(m)ez âmittler, in der Mitte befindlichâ (aus lat. de (in) mediu). Ist dieses d'im(m)ez nach dem Aussterben des Romanischen in die hiesige deutsche Mundart ĂŒbergegangen? Es tönt da nĂ€mlich ganz Ă€hnlich - ich erinnere mich, dass am Grabser Berg anstelle von zmitzt âmitten(drin)â Ă€lter auch demitz gesagt wurde (Werdenberg: demitz derduur âmittelmĂ€ssig, im Durchschnittâ, vgl. Id. 4, 564). Die Versuchung ist nun gross, in diesem demitz ein Nachwirken des romanischen dâim(m)ez (< lat. de in mediu) zu sehen (vgl. DRG 14, 557 s. v. mez1: dort wird auch fĂŒr Vals GR Ă€hnliches walserisches emitsch [«emitsch vam Platz» âmitten auf dem Dorfplatzâ] erwĂ€hnt). Hier ist allerdings zu entgegnen, dass die Wendung im Schweizerdeutschen durchaus weiter herum auch bekannt ist; entsprechend wird sie von Id. als deutsch erklĂ€rt und auf mittelhochdt. mittes (adv. Genitiv zu mitt-) zurĂŒckgefĂŒhrt. Es handelt sich hier also kaum um eine ursprĂŒngliche IdentitĂ€t, sondern «bloss» um eine sekundĂ€re begrifflich-formale BerĂŒhrung der AusdrĂŒcke in beiden Sprachen.Â
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