Dieser Name bezeichnet Berggüter und ehemalige Heimwesen am vorderen Frümsner Berg, über Aspen1, nördlich ob den Haldenhüsern, hinter dem Weiler Wasen. Gegen oben stösst das so bezeichnete Gebiet an den Bergwald namens Chelen. Das Gebiet wird geschieden in die Teile Undertscheel und Obertscheel. Älter aber lautete der Name überraschenderweise †Langatscheel (und -tschiel), wie es noch die ersten urkundlichen Belege zeigen: 1533 langentschiel, 1698 langetscheel. Mit 1797 Langen Tscheel wird dann die Auffassung deutlich, dass deutsch «lang» im Namen enthalten sei (was aber keineswegs sicher ist); und dieser Namenteil wurde dann ganz fallengelassen, wie sich bereits in 1801 Tschell zeigt.
Der letzte ganzjährige Bewohner war Christian Tinner («Tscheel Christa»), bis um 1962. Eine lebendige, gemütvolle Beschreibung des früheren Lebens am Frümsner Berg verdanken wir einer Frau, die noch dort oben aufgewachsen war: Berty Tanner-Tinner schrieb das Buch «Das Obertscheel – unser ehemaliges Zuhause. Erinnerungen an die Jugendzeit auf einem Bergheimet in Frümsen»; erschienen in Buchs, 2004, als Begleitpublikation zum Werdenberger Jahrbuch (Bd. 3). Man beachte auch den Aufsatz «Die beiden letzten Obertscheeler Bauern», in Werdenberger Jahrbuch 2002, 95f.; ebenso dort S. 93.
Tscheel liegt unmittelbar unter dem steilen, zerklüfteten Bergwald genannt Chelen. Ein überaus idyllischer, abseits gelegener Ort. Das ehemalige Wohnhaus auf Obertscheel. Bild: Hans Jakob Reich, Salez.
Den Lesern dieser Rubrik ist der Name David Heinrich Hilty wohlbekannt. Der Heimatforscher sammelte in den 1880er Jahren fleissig romanische Spuren im Bezirk Werdenberg, und mit Hilfe seines Dienstkollegen Major Thomas Gross, der als Münstertaler natürlich des Romanischen mächtig war, versuchte er sich auch als Namendeuter. Allerdings stand damals die wissenschaftlich begründete Namenforschung noch in ihren Anfängen; das Thema war noch hauptsächlich ein beliebter Tummelplatz fachlich unbelasteter Heimatkundler. Auch das Vorgehen unseres Duos lässt, oft auf den ersten Blick, erkennen, dass sie sich da auf unvertrautem Gebiet bewegten; viele ihrer Deutungsversuche sind ganz abenteuerlich bis abwegig.
Ein Beispiel dafür bietet unser Name, den sie als engadinisch tschêl m. ‘Himmel’ erklären wollen (mit der «erläuternden» Wendung «guardar a tschel ‘aufwärts oder in die Höhe schauen’» sowie der – falschen – Herleitung des Wortes aus «lat. celsus ‘Höhe’» (richtig wäre: ‘hoch, erhaben’), offenbar bezogen auf die relativ hohe Lage der Örtlichkeit. In Wirklichkeit stammt engad. tschêl (gleich wie franz. ciel, surselv. tschiel, ital. und span. cielo, sard. kelu, rumän. cer) allerdings von lat. caelum ‘Himmel’ ab. Auch ein nachkommender Namenkundler, Theodor Schlatter («St.Gallische romanische Ortsnamen und Verwandtes») glaubte noch 1913 an diesen Himmel; meinte er doch, dass, wenn das Hochwasser des Rheins unten die Ebene überflutete, die dort droben im Trockenen, im Himmelreich gesessen hätten … Er war mit dieser Vorstellung nicht einmal der Letzte: noch 1960 gab sie ein Johann Stähelin (in der Broschüre «Gams in vergangenen Tagen») zum Besten.
Nein, so kommen wir dem Namen sicher nicht auf die Spur. Wir wissen nun ja aufgrund der urkundlichen Formen, dass Tscheel nur eine verstümmelte, junge Kurzform ist und dass wir vom älteren Typ †Langatscheel auszugehen haben.
Blick von oben auf das Häuschen auf Tscheel (Obertscheel). Bild: Hans Jakob Reich, Salez.
Leider allerdings spiegeln die historischen Formen nun offensichtlich nicht die ganze Entwicklungsreihe. Sicher ist, dass dieses †Langatscheel eine romanische Bildung darstellt. Aber wir sehen auch, dass da offensichtlich ein Glied in der Überlieferungskette fehlt, und dass wir dieses hypothetisch werden überbrücken müssen. Eine gewisse Analogie kann dabei der Gamser Name Lungalid bieten. Dieser wird auf ein älteres *Runcalid (lat. runcal-eta) zurückgeführt und stellt damit einen Rodungsnamen des häufigen Typs Runcal- dar. Dort ist das R- am Anfang durch ein L- ersetzt worden. Aus diesem Fall leiten wir die folgende Hypothese ab: Entsprechend kann auch bei unserem †Langatscheel vermutet werden, dass diese (bereits deutsch beeinflusste) Form ursprünglich *Runcatscheel hiess. Damit bekommt der Name, ohne unwahrscheinliche Zwischenstufen bemühen zu müssen, eine plausible Form, welche auch einen Sinn ergibt: nämlich als Verkleinerungsform von Runcatsch ‘leide Rüti’, abgeleitet auf die romanische Verkleinerungsendung -iel. Damit bedeutet der Name als Ganzes etwa ‘kleine, leide Rüti’ (mundartlich leid im Sinne von ‘wüst, nicht schön’).
Das Zusammenkürzen von ursprünglich langen romanischen Namen hat bei uns eine lange Tradition; solche sogenannte «Rumpfnamen» finden sich in unseren Gemeinden überaus zahlreich. So wurde in Grabs aus Impertschils ein handliches Tschils, oder älteres Salums wurde in Ruggell zu Lums gekürzt. Weitere Beispiele: Schnära (Grabs) aus Aferschnära, Tätsch (Grabs) aus Impertätsch, Grib (Sevelen) aus Inagrib, Grüel (Sevelen) aus Inagrüel, Resch (Balzers) aus Anaresch.
Den Hintergrund solcher Kürzungen bilden (vereinfacht gesagt) unterschiedliche Betonungsgewohnheiten des Deutschen gegenüber dem Romanischen. Das Deutsche liebt Namen und Wörter mit Betonung der ersten Silbe; beim Romanischen dagegen lag der Hauptakzent gerne weiter hinten im Wort. Material für solche Operationen war bei uns mit den romanischen Namen ja reichlich vorhanden. Nur in der Gemeinde Wartau sind die meisten romanischen Namen in ihrer ursprünglichen Betonungslage intakt geblieben (Fanóla, Feréitis, Ganáda, Garéda, Gasál, usw.), was zusammen mit anderen Argumenten beweist, dass der Raum der südlichsten Werdenberger Gemeinde länger an der alten romanischen Landessprache festgehalten hat als ihre Umgebung. Doch das ist wieder eine andere Geschichte.
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Ein frischer Brunnen plätschert vor dem Haus auf Obertscheel. Heute dient er vor allem noch als Viehtränke. Bild: Hans Jakob Reich, Salez.
Ãœbrigens: Dies ist der 60. Eintrag in der Rubrik «Name des Monats». Seit genau fünf Jahren erscheint sie regelmässig. Wie lange wohl noch? Â
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Zu unserem Leidwesen weilt unser Kollege Hermann Schol nicht mehr unter uns. Er starb kürzlich ganz unerwartet infolge Herzversagens. Als Vorstandsmitglied des Vereins Werdenberger Namenbuch und als verlässlicher Kassier war er vom Projektbeginn bis zum Werksabschluss (also von 2001 bis 2017) mit dabei. Als unermüdlicher Helfer, als gewissenhafter Verwalter des Buchlagers, als versierter Verwaltungsfachmann hat Hermann – stets hinter den Kulissen – wertvolle und hochgeschätzte ehrenamtliche Arbeit für unser Forschungsprojekt geleistet. Mit seinem Einsatz hat er sich in der Kulturforschung in unserer Heimatregion bleibende Verdienste erworben. Wir sind ihm dankbar für alles. Er wird uns fehlen, auch als gemütlicher, humorvoller und eigenwilliger Kollege und Freund.
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