Nun dauerte das Nebeneinander von zwei praktisch unabhängigen Staaten in unserem Gebiet aber nicht lange. Im Jahr 709 stiess das fränkische Reich unter karolingischer Führung erneut bis zum Bodensee vor; ihr Ziel war, den Stamm der Alamannen völlig zu unterwerfen. Dies gelang den Franken erst 742 endgültig. Nun ging Alamannien im fränkischen Reich auf; es wurden überall fränkische Grafen als Vertreter der Zentralgewalt eingesetzt.
Der rätische Präses Viktor hatte sich in dieser Auseinandersetzung zurückgehalten. Nachdem ein Zerwürfnis mit dem aufstrebenden St. Gallen (dem die Franken mit Misstrauen gegenüberstanden) nicht zu seinen Gunsten ausgegangen war, gründete Viktor in der Blütezeit und zugleich Endzeit des freien Churrätiens um 735-740 das Kloster Pfäfers (Bilgeri 1976, 63). Ebenfalls im 8. Jh. entstanden so auch die Klöster und Stifte Disentis, Mistail, Cazis und Müstair (vgl. Büttner/Müller 1967, 30, 138).
Pfäfers von der Valenserstrasse her gesehen. - Aus: Wikipedia (unter: Pfäfers; Autor: Böhringer Friedrich).
Die Klöster Churrätiens, rein romanische Gründungen, konnten sich als weithin ausstrahlende Zentren der nationalen Kultur zu hoher Blüte entfalten. Als besonders hervorragender Ausdruck dieser Kultur sei der etwas später, anfangs des 9. Jhs., angelegte Liber Viventium (das «Buch der Lebenden») von Pfäfers erwähnt, wohl das künstlerisch wertvollste der erhaltenen churrätischen Bücher: Ein prachtvoll ausgestatteter Codex, aussergewöhnlich wertvoll in seiner äusseren Aufmachung, und inhaltlich die wichtigste Quelle für die frühe Geschichte des Klosters, da das Buch dem Konvent bis zur Anlage des Liber Aureus (des «Goldenen Buches») im 11./12. Jh. zur Aufnahme aller wichtigen Aufzeichnungen diente (vgl. Vogler 1983).
Aus dem Evangelistar ("Liber Viventium") aus Churrätien (erstes Viertel des 9. Jhs.). St.Gallen, Stiftsarchiv (Abtei Pfäfers), Cod. Fab. 1, f. 4- (https://www.e-codices.ch/de/list/one/ssg/fab0001).
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