UngekĂŒrzte lautliche Integration
Eine bedeutende Zahl unterrĂ€tischer Familiennamen geht unmittelbar auf romanische Personennamen zurĂŒck; so etwa:
Anrig (Sargans), < Henricus (vgl. heute rom. AndrĂ)
Biet (Vaduz 1584) < Beatus
BurgÀzzi (Sevelen), Bargetze (Triesen) < Pancratius
Schampletz (Triesen 1429), < Simplicius? (vielleicht eher Doppelname Gian Plazi, siehe weiter unten)
Tschamon (Nenzing, urk.) < Simon (heute rom. Schamun)
Tschann (Vorarlberg urk. hÀufig) < Johannes (rom. Gian, Jan)
Widrig (jĂŒngere Aussprache Widrig, Ragaz) < Fridericus (rom. FadrĂ).
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NamenkĂŒrzung durch Silben- oder Vokalauswurf
In Grabs sind bei vielen alteinheimischen Vornamen Kurzformen gebrÀuchlich, welche durch Abwurf der ersten Silbe (AphÀrese genannt) entstanden sind. Dieser Vorgang fand offenbar zu einer Zeit statt, da der Akzent in diesen Namen noch nach romanischer Art auf der zweiten Wortsilbe lag:
NeÀse < Agnesa, heute auch Agnes (Agnes)
Tres < Andres, heute auch Annres (Andreas)
Vit < Davit, heute auch Tavit (David)
TeÀbis < MatÀwus (MathÀus)
Tis < Matis, heute auch Matias (Mathias)
Leis < Eleias, heute auch Elias (Elias).
Auch in den Familiennamen ChurrĂ€tiens finden sich zahlreiche Ergebnisse solcher NamenkĂŒrzung:
Bru(o)sch, Ru(o)sch (Sevelen, Wartau) < Ambruosch (Ambrosius), vgl. die Flurnamen Gapruesch und Brueschenloch; hierher auch die bĂŒndnerischen FamN Brosi, BrĂŒesch.
Minsch (Vandans 1480 [die] Menschin) < Duminsch (Dominicus, heute rom. Dumeng)
Natsch (Mels) < Donatsch (Antonius) oder Jenatsch (Johannes)
Nigg (Buchs, Flums usw.) < *Janigg (< Jan, Johannes, sofern nicht Nikolaus; vgl. evtl. den FlN Barnigga Nenzing).
Nutt (Balzers) < Janutt (Johannes)
Risch (FL) < Durisch (Udalricus)
Schöb (Gams), Schöbli (Flums) < *Ischöb (Eusebius; also wohl nicht deutsch, wie bei RN 3, 691!)
Sele (Triesen, VĂ€ttis) < Baseli (Basilius)
Senti (Flums, Mauren) < *Massenti (Maxentius)
Tschentschott (Silbertal 1489) < *Vintschench-ott (Vincentius)
Vesti (Wangs, Mels) < *Salvesti (Silvester).
Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass in all den hier zitierten FĂ€llen die ursprĂŒngliche Akzentlage des Namens dieselbe war, nĂ€mlich Betonung auf der zweiten Silbe, was gemeinhin als «romanische» Tonlage bezeichnet wird. Wenn nun so hĂ€ufig durch Abwurf der Anlautsilbe ein Namenkörper angestrebt wurde, der auf der ersten Silbe betont ist, so darf dieses PhĂ€nomen mindestens auch mit dem Sprachwechsel vom Romanischen zum Deutschen in Verbindung gebracht werden, denn Wörter mit Erstsilbenbetonung sind nun wieder typisch fĂŒr die Tonstruktur der deutschen Sprache.
Gelegentlich sind auch Namen erhalten, welche zwar ihre deutsche Herkunft nicht verhehlen können, jedoch offenbar durch langen Gebrauch in romanischem Mund eine «romanische Akzentuierung» erfahren und behalten haben. So wird der Name Jecklin in Chur, wie man dort gerne belehrt wird, nur auf der zweiten Silbe, nĂ€mlich als Jecklin, betont. Ein Ă€hnliches Schicksal verrĂ€t der Montafoner Familienname Schwald, der auf dt. Oswald zurĂŒckgeht, aber in der Kurzform Schwald nur ĂŒber ein romanisch betontes Oschwald zu erklĂ€ren ist.
Von den bisher betrachteten FĂ€llen sind folgende drei Namen abzuheben, da sie nicht bloss eine, sondern (vielleicht in Etappen) gleich zwei Vortonsilben abgeworfen haben:
Meli (Mels) < *Bartlimeli (< Bartlime, Bartholomaeus)
Schett (PfÀfers) < Tomaschett (<Tumasch, Thomas)
Vetsch (Grabs) < *BonifÀtsch (Bonifatius).
In losem Zusammenhang mit dieser Gruppe sei am Rande an (meist aphÀretische) Kurzformen von Vornamen erinnert, die vom Volk mit gewissen menschlichen Charaktereigenschaften in sprichwörtliche Verbindung gebracht wurden und so schliesslich in normalsprachlichen (appellativischen) Gebrauch gelangten, wobei oftmals der Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden Eigennamen gÀnzlich geschwunden ist. Aus Grabs sind uns bekannt:
Brassli (im Ausdruck en fĂ€iste Brassli âdicker Kerlâ) < Vorname *(Am)brosli (Ambrosius)
Pantli (im Ausdruck Soupantli âSchweinskerlâ) < Vorname *Pantli (Pantaleon)
Paschli âunsauberer Menschâ < Vorname *Baschli (Sebastian)
Soschti âPanscherâ, dazu die sekundĂ€ren Ableitungen gsoschtet adj. âunsauber (bei Tisch)â, soschten v. intr. âpanschen, unsauber mit FlĂŒssigem umgehenâ < Vorname *Soschti (so im Oberwallis), Chresoschti (Appenzell) (Chrysostomos)
Tuni (im Ausdruck en mĂŒede Tuni âlĂ€stiger Bittstellerâ) < Antuni (Antonius)
Hier sei auch an einige in entsprechender Weise zweckentfremdete (affektisch negativ besetzte) Völkernamen erinnert, wobei auch hier das Bewusstsein von den ursprĂŒnglichen ZusammenhĂ€ngen teils völlig geschwunden ist, so in Grabs:
PĂ€ier (auch SoupĂ€ier âunsauberer Kerlâ) < Bayer
Törgg (im Ausdruck en grobe Törgg âgrober, rĂŒcksichtsloser Menschâ) < TĂŒrke.
Soviel zu den Namen mit aphĂ€retischer KĂŒrzung.
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Das (oben bereits angekĂŒndigte) zweite Verfahren zur NamenkĂŒrzung und Erreichung eines erstsilbenbetonten Namens heisst Synkopierung; es besteht darin, den im Nameninneren befindlichen unbetonten Vokal der ersten Silbe auszuwerfen. Auch dazu einige Beispiele:
Gasenzer (Grabs), heute meist auf der ersten Silbe betont, ist als alteinheimischer Familienname am Grabser Berg noch in der synkopierten Form Gâsenser bekannt, was eine auf der zweiten Silbe betonte Ă€ltere Form Gasenzer voraussetzt.
Schmon (Flums) < Schimon, Schamon
Schnopp (Balzers, Schlins) < evtl. Gian Job (Hiob)
Grald (Montafon) < Gerold
Gluster (Wangs urk.) < Caluster (rom. caluoster âMesmerâ).
In der Regel ist diese KĂŒrzungsweise deutschen Ursprungs. Daneben aber kommen entsprechende Bildungen auch in rein romanischem Zusammenhang vor, man vergleiche die surselvischen Namenformen Flisch (in Tschagguns 1551 und im Schanfigg als Fleisch, < *Felisch, Felice) und Flepp (< *Falepp, Philippus).
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Erweiterung durch Suffigierung (im Romanischen / im Deutschen)
Eine ganze Reihe romanischer Suffixe (also Wortendungen) in Verbindung mit (teils im Stamm gekĂŒrzten) Personennamen hat in UnterrĂ€tien eine Vielfalt meist verkleinernder Rufformen und daraus teils neuer Familiennamen hervorgebracht. Dass dabei auch ursprĂŒnglich deutsche Personennamen ganz ohne Unterschied mit zum Zug kamen (das heisst: mit romanischen Endungen versehen wurden), kann als sicherer Hinweis auf eine langdauernde allgemeine Zweisprachigkeit im betreffenden Raum genommen werden. Das Montafon liefert hier weitaus die reichhaltigste Palette:
Sandrell (Tschagguns 1792) < Sander + -ell (Alexander)
Ruschett (Frastanz 1500) < Ruosch + -ett (Ambrosius)
Cordell (Sarganserland urk.) < Cord + -ell (Konrad)
Mengott (Montafon 1479) < Meng + -ott (Dominicus)
Flischell (Montafon urk.: Tschan Flischallen witib) < Flisch + -ell (Felice)
Vidergall (Vandans 1480) < Fadri + -ell (Fridericus)
Tschugmell (BartholomÀberg 1447: «Dumeng ZschugmÀl»), Tschagmott (St.Gallenkirch 1440, 1481 «Christina Schaggmottin») (*Jacomu)
Ragett (Valens urk.) < (An)rig + -ett (Henricus)
Bedrott (Montafon 1473) < Peider + -ott (Petrus)
Patteruel (Silbertal 1573: «Agta Patteruelen Maiensass») < Peder + -ĂŒĂ¶l (Petrus)
Nigglawell (St.Gallenkirch 14500: «Pet Nigglawell, Hanssli N.») < Niclau + -ell (Nicolaus)
Clawott (Tschagguns 1591) < Clau + -ott (Nicolaus)
Dann die (meist vorarlbergischen) Janett, Tschanett, Tschanott, Tschanugg, Tschanun, alle aus Gian oder Jan (+ -ett, -ott, -ugg, -un) (Johannes).
Die folgenden Zusammensetzungen mit romanischen Verkleinerungsendungen gehen teils offensichtlich von deutschen Rufformen aus, was ein besonders enges NachbarschaftsverhĂ€ltnis unter den beiden Sprachen ausdrĂŒckt:
Conzet (Satteins 1612) < dt. Kunz + rom. -ett (Konrad)
Michelott (Vandans 1480) < dt. Michel + rom. -ott (Michael)
Ruedolfett (Vandans 1499) < dt. Rudolf + -ett (Rudolf)
Stofflet (Bludenz 16. Jh.) < dt. Stoffel + -ett (Christophorus)
LorÀnzott (Tschagguns 15. Jh.) < dt. Lorenz + -ott (Laurentius)
Pattlogg (St.Anton i. M. 1649) < dt. Bartel + rom. -ucc (Bartholomaeus)
Partschugg (Silbertal 1531) < dt. BĂ€rtsch + -ucc (Bartholomaeus)
Purchett (Gaschurn 1517) < dt. Burk + -ett (Burkhard)
Baschett (PfÀfers urk.) < dt. Baschi, Bastian + -ett (Sebastian)
Hainzett (Tschagguns 1455), Hinzet (Bludesch 1528) < dt. Heinz + -ett (Heinrich)
Uollett (BartholomÀberg um 1420) < Ueli + -ett (Udalricus)
Nach dem oben Gesehenen kann es kaum verwunderlich scheinen, mit welcher SelbstverstĂ€ndlichkeit die Neigung zur Bildung von (meist diminutivischen) Ableitungen auch im Deutschen dieser Regionen weiterwirkt. Dass romanisches und deutsches Suffix etwa im zweisprachigen Montafon des 15./16. Jhs. geradezu beliebig austauschbar waren, kann in mindestens einem Fall schlĂŒssig nachgewiesen werden: Im «Urbar der Sondersiechen im Töbele» (aufbewahrt im Stadtarchiv Bludenz) findet sich fĂŒr Schruns 1490 (S. 192) der Eintrag: «Tschanet Gamat in Gamprez ⊠Gadenstatt auf Gamplaschg gelegen genant Tubaris». In dem im selben Archiv liegenden «Zinss Libell II der Armen Sondersiechen» ist nun ĂŒberraschenderweise, ebenfalls auf 1490 datiert, der offensichtlich inhaltlich identische Eintrag (S. 52) aufgefĂŒhrt als «Tschannlin Gant in Gampparez ⊠Gadenstatt uff Gamplaschg gelegen genant Tubaris» (vgl. VNB I/2, 296f.). Romanisches Tschanett und teils verdeutschtes Tschanlin waren also untereinander ausgetauscht worden. Dieser Vorgang ist nur vor dem Hintergrund gĂ€nzlicher Zweisprachigkeit verstĂ€ndlich.
 Rufformen aus romanischem Namenstamm und deutscher Endung -li (also die Umkehrung des eben Gelesenen) haben sich ihrerseits in grösserer Zahl zu Familiennamen verfestigt, Namen allerdings, die zum Teil seither wieder abgegangen sind:
Durigli (Gaschurn 1580: «Jen Durigli») < Durig (Udalricus)
GrĂ€ssli (Grabs) zu einem primĂ€ren Namen Grass (so in BĂŒrs 1673, < rom. grass âfettâ)
Guntli (Buchs, Wangs, Mels) evtl. zu einem primĂ€ren Namen Cunt (rom. cunt âGrafâ).
Im Tschagguns findet sich Clawott (1591) und ClÀle (1514) nebeneinander, und neben Tschanett erscheint in Vandans 1480 auch Tschannli. Romanisch und Deutsch in bunter Mischung.
Ferner gibt es die Meli (Mels) < (Bartli)me, die Niggli (Frastanz 1501) < Nigg, die Tschöli (Nenzing 1438) < Tschohl (Triesen).
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Familiennamen auf Ga-/Ca-
In GraubĂŒnden weitverbreitet und auch anderwĂ€rts wohlbekannt ist der Familiennamentyp auf Ca-: Caflisch, Camenisch, Capaul, Caduff, Cadisch, usw. Ihre Gemeinsamkeit besteht in der Verbindung von Ca- (rom. casa âHausâ) mit einem Personennamen oder einer sonstigen Personenbezeichnung (etwa einem Berufsnamen):
Caflisch < Ca + Flisch (Felix)
Camenisch < Ca + *Menisch (Dominicus)
Capaul < Ca + Paul (Paulus)
Caduff < Ca + Duff (Dolf, Rudolf)
Cadisch < Ca + Disch (Durisch, Udalricus).
PrimĂ€r handelt es sich bei diesen Bezeichnungen um Hausnamen oder WohnstĂ€ttennamen, also um eigentliche Ortsbezeichnungen, mit welchen festgehalten wird, wessen Haus gemeint ist: âDas Haus des Felix, des Menisch, des Paul, des Duff, des Dischâ.
Der Namentyp ist in GraubĂŒnden auf das Rheingebiet beschrĂ€nkt, dort aber in reicher FĂŒlle (nĂ€mlich in fast 200 verschiedenen solchen Bildungen) nachzuweisen. Dabei sind ein Teil dieser Bildungen Ortsbezeichnungen (Hausnamen) geblieben, andere haben sich zu Familiennamen verfestigt. Konrad Huber hat die Bildung dieses Namentyps in die Zeit zwischen 1250 und 1350 verlegt; damit gehören sie zu den Ă€ltesten Familiennamen. Gerade auch ihr Vorkommen im rĂ€tischen Vorland (also in unseren RĂ€umen) weist darauf hin, dass sie nicht wesentlich jĂŒnger sein dĂŒrften, denn ihre Entstehung setzt natĂŒrlich voraus, dass die romanische Sprache dort, wo der Name altverbĂŒrgert ist, damals noch lebendig war. FĂŒr UnterrĂ€tien kennen wir (nebst einigen unsicheren FĂ€llen):
Gaheini (Vilters urk.), Gahaini (Triesen 1406) < rom. ca + Heini
Gafafer (Wartau 1455) < rom. ca + rom. faver âSchmiedâ
Gabertuol (1484), Gabathuler (Wartau) < rom. ca + Berchtold
Galbier (Wartau) < rom. ca + Albert
Gaburtsch (BartholomÀberg 1477) < rom. ca + Burtsch (Burkhard)
Camauritzi (Valens, urk.) < rom. ca + Maurizi.
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Doppelnamen des Typs Tönjachen
Wiederum muss die Behandlung der hier folgenden Namengruppe mit einem Blick auf die VerhĂ€ltnisse GraubĂŒndens eingeleitet werden. Wir finden dort nĂ€mlich, und diesmal insbesondere im Engadin, eine grosse Zahl von Doppelnamen, etwa des Typs Janjöri, Jonpitschen, Janbass. UrsprĂŒnglich handelt es sich dabei um Herkunftsnamen, die durchaus den etwa in Grabs gebrĂ€uchlichen Sippschaftsnamen des Typs s Hanslis Chrischte, s HĂ€nnise BeĂ€ter entsprechen: âChristian aus der Sippschaft s Hanslisâ (oder gleich: âChristian, Sohn des Hansliâ), âHans aus der Sippschaft genannt s HĂ€nniseâ.
Entsprechend kann eine romanische Personenbezeichnung Steivan Gion Barbla aufgefasst werden als âSteivan, Sohn des Gion, der seinerseits Sohn der Barbla istâ, oder im oben zitierten Janjöri ist zu sehen âJan, Sohn des Jöriâ (falls es sich hier nicht um einen Doppelvornamen wie Hansheiri handelt); entsprechend kann Jonpitschen als âKleinhansâ aufgefasst werden oder aber als âJon zur Sippe der Pitschen gehörigâ. Sei dem, wie ihm wolle â wichtig ist hier, dass solche Doppelnamen in einer zweiten Phase in grösserer Zahl zu Familiennamen verfestigt worden. Im Engadin haben wir etwa die
ClalĂŒzza: < Cla (Nicolaus) + LĂŒzza (Lucius)
Florentini: < Flurin (Florinus) + Töni (Antonius)
Jörigustin: < Jöri (Georgius) + Gustin (Augustinus)
NuotclĂ : < Januot (Johannes) + Cla (Nicolaus).
Doch aus Rheinisch BĂŒnden liefert uns solche FĂ€lle: Clopath (Schams), Jörigustin (Salouf), Clomenisch (Cazis urk.), Clochrist (Ruschein urk.), Clatschent (Degen urk.).
Auch zu dieser Gruppe lassen sich nun aus dem unterrĂ€tischen Raum weitere analoge, in BĂŒnden selber nicht einheimische FĂ€lle beisteuern. Dabei erweist sich SĂŒdvorarlberg (besonders wieder das Montafon) als die weitaus ergiebigste Zone. Allerdings ist hier der Entwicklungsprozess zum grössten Teil nicht bis ins Stadium des festen und bis heute erhalten gebliebenen Familiennamens vorangeschritten: es handelt sich bei den zitierten Namen meist um mittlerweile wieder ausgestorbene Bildungen.
Stellen wir gleich an den Anfang einige FĂ€lle aus den sĂŒdlichen Vorarlberger TĂ€lern:
Dischjegen (Tschagguns 1514: «Class Flurin Dischyegen»): < Disch (Udalricus) + FamN Jegen (im PrĂ€ttigau altverbĂŒrgert).
Manggurt (Gaschurn 1580): < PN Mang (Magnus) + FamN Gurt.
Besonders reichhaltig ist die Reihe der namentlich im Montafon heimischen mit Tschann (rom. Gian, Johannes) gebildeten Doppelnamen (Familiennamen), wobei dort in der Regel das zweite Namenglied deutsche Form verrÀt, die nicht stets ausgedeutet werden muss:
Tschanborckh (Gaschurn 1524: «Peter Tschanborckh»): mit Bork (Burkhard).
Tschanclass (Tschagguns 1522: «Heinrich Tschan Clauss»; Silbertal 1564: «Dorothea TschannclÀsin»): mit Class (Nicolaus).
TschanhÀns (St.Gallenkirch 1656: «Johann Ulrich TschanhÀns»): mit HÀns (Johannes)
Tschan Jaggl (Gaschurn 1520: «Hans Tschan Jaggl»): mit Jaggl (Jacob)
TschanrĂŒedi (Tschagguns 1533: «Hans TschanrĂŒedi»): mit RĂŒedi (Rudolf)
Tschannthöny (Tschagguns 1550): mit Töni (Antonius)
Tschathman (Röns 1664): mit Thomann (Thomas).
Setzen wir an den Schluss dieser Gruppe einen etwas anders gearteten Fall aus dem Werdenberg, nÀmlich das alte Grabser Geschlecht Lippuner. WÀhrend der Name heute auf der ersten Silbe (als Lippuner) betont wird, galt am Grabser Berg noch vor einem halben Jahrhundert die alte Betonung Lippuner.
In Zusammenhang mit dieser heute als komisch empfundenen Àlteren Betonung des Namens wird am Grabser Berg die Episode von einem Warenreisenden erzÀhlt, der vor Jahrzehnten anlÀsslich einer Bestellungsaufnahme den Namen des Familienoberhauptes, nÀmlich Peter Lippuner (wie die Frau angab) aufgrund der ihm fremden Betonung missverstand, worauf das Paket unter der viel belachten Anschrift Peterli Brunner ihren EmpfÀnger erreichte.
Doch zurĂŒck zur Namensform Lippuner. Warum wird sie in vorliegendem Zusammenhang erwĂ€hnt? Nun, auch in ihr steckt ein Doppelname: Lipp (Philipp) + FamN Buner. Gleich wie in den oben geschilderten FĂ€llen aus SĂŒdvorarlberg hat auch hier das Deutsche klar die Hand mit im Spiel: der FamN Buner (in Walenstadt alteinheimisch) ist selber eine deutsche Ableitung von einem anzunehmenden Ărtlichkeitsnamen Bun.
Eigentlich ist an dem Fall ausser der Ă€lteren Betonung auf der zweiten Silbe (Lippuner) gar nichts mehr ersichtlich Romanisches. Dennoch ist er durchaus in diese romanische Tradition der Doppelnamengebung einzureihen, eine Tradition, die in UnterrĂ€tien eben auch zur Zeit der Zweisprachigkeit (im Hoch- und SpĂ€tmittelalter) noch weiterwirkte und dabei auch deutsches Namenmaterial in das Verfahren einbezog. Gerade der Umstand, dass die FĂŒgung uns als Lipp Buner entgegentritt und nicht etwa (wie wir heute sagen wĂŒrden) als (s) Buners Lipp, deutet an, dass da noch romanische Wort- und Namenbildungsgesetze weiterwirkten.
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