So heissen zwei wichtige, zeitlich in ihrer Wirksamkeit begrenzte sprachliche Neuerungen der althochdeutschen Zeit (Sonderegger 1979, 233), die sich auch auf die Entwicklung vordeutscher Ortsnamen auswirkten:
a) Vom 5. bis zum 8./9. Jh. wurden im Althochdeutschen (abgekürzt: ahd.) die Verschlusslaute p, t, k verschoben zu den ihnen entsprechenden Affrikaten bzw. Reibelauten pf/ff, z/ss, ck/ch: germanisch *plegan ‘pflegen’ > ahd. (alem.) (p)flëgan, germ. *apla ‘Apfel’ > ahd. (alem.) apful, afful; germ. *etan ‘essen’ > ahd. ëzzan; germ. *ik ‘ich’ > ahd. ih, germ. *quekka- ‘lebendig’ > ahd. chëch (vgl. Sonderegger 1974, 156ff.). Entsprechend ging lateinisch *cubulum ‘kleine Lagerstätte’ ins Mittelhochdeutsche als kobel ‘Felswand’ und in alem. Chobel über. So ist Chobel als Name im unteren Rheintal weit verbreitet, während der Typ in Werdenberg fast nur mehr in Sennwald erscheint. Weiter südlich nimmt dann der (unverschobene) romanische Typ cuvel ‘Höhle’ (mit erhaltenem c-) überhand, so im Namen Gufel in Wartau.
b) Bis etwa ins 11. oder 12. Jh. blieb in der Sprache der Alamannen der Anfangsakzent im Wort absolut bestimmend. Dementsprechend wurden romanische oder vorromanische Ortsnamen der Frühzeit, welche ursprünglich auf der zweiten oder dritten Silbe betont waren, ebenfalls mit Erstbetonung eingedeutscht: Turicum > Züri(ch), Constantia > Konstanz (mundartl. Choschte(n)z), Brigantium > Bregenz (vgl. Sonderegger 1963, 39), Palatiola > Balzers (vgl. FLNB I/1, 29); dazu kommt bei Choschte(n)z die hochdeutsche Lautverschiebung (k > ch).
Dagegen nehmen südlich der Hirschensprungschranke (die hier auch zur Betonungsgrenze wird; Sonderegger 1963, 39), also auch auf dem Boden Werdenbergs, die bis heute romanisch betonten Namen nun schnell und gründlich überhand (Salez, Mafun, Pardiel, Portnol, Ferplanggs). Sie zeigen, dass der Sprachwechsel hier, in Unterrätien, in seiner entscheidenden Phase erst in mittelhochdeutscher Zeit, seit dem 12. Jh. also, stattgefunden hat.
Daneben ist aber einzuräumen, dass auch innerhalb Churrätiens sich Namenformen in nicht ganz unbedeutender Zahl finden, die die oben erwähnten althochdeutschen Merkmale aufweisen. Erstbetonung haben etwa Runkels Triesen, Runggels Buchs, Pfäfers (rom. Faveras), unter Vorbehalt der Etymologie auch Frastanz, Tosters, Tisis, Götzis, Nofels (Zehrer 1960, 122). Und Lautverschiebung (k > ch) zeigen etwa Chur und Chastels (Sargans, Mels), letzteres zusätzlich auch mit Tonverlegung. Gästela Grabs (< lat. castellu; Stricker 1974, 86ff.) hat den Akzent zurückgezogen, aber die Lautverschiebung des c- (zu ch-) nicht mehr durchgeführt. Auch diese Namen lassen daher in verschiedenen Abstufungen frühe deutsche Einflüsse erkennen, Einflüsse, die wohl in gewissem Umfang auch auf alamannische Besiedlung schon seit dem Frühmittelalter (im Sinne vereinzelter Einsprengsel) schliessen lassen.
Zu dieser Annahme passen die in Eschen, Schaan, Balzers sowie im Raum von Mels (Chastels!) bis Berschis nachgewiesenen alamannischen Gräberfelder aus der Zeit von ca. 600-800; diese alamannischen Spuren gehen im Sarganserland nach der Vermutung von Robert von Planta und Werner Camenisch auf eine Einwanderung von Rodungsarbeitern oder Bergleuten zurück (Camenisch 1963, 110). Im Raum Grabs werden deutsche Einflüsse um die Mitte des 9. Jhs. fühlbar. Auch die lautliche Entwicklung von Ortsnamen wie Grabs (< lat. caput rapidae 'Beginn des Wildbachs') oder Buchs (< lat. podium 'flache Anhöhe') in den Schreibungen jener Zeit lässt schon Züge erkennen, die nur durch alemannische EinwirÂkung zu erklären sind (Hilty 1980, 41).
Doch bleiben solche Fälle mit althochdeutscher Beeinflussung in Unterrätien ganz in der Minderzahl gegenüber der Hauptmasse der romanisch betonten und romanischen Lautstand aufweisenden Orts- und Flurnamen. Noch lebte die alte Landessprache weiter; Deutsche und Romanen siedelten noch im 11. Jh. eng nebeneinander, und die beiden Sprachen wurden zum Teil sicher von denselben, zweisprachigen Personen gesprochen.
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